RUDOLF SAGMEISTER | Marko Zinks Daguerreotypie
Eine vielschichtige autobiografische Auseinandersetzung mittels Inszenierung unter Nutzung der Fotografie, Familiengeschichten aus der Kindheit und Jugend des Künstlers im Elternhaus im abgelegenen Dorf Gaschurn im Vorarlberger Bergtal Montafon geprägt durch Mutter, Großmutter und Tanten: Im großformatigen Bild sitzt der Künstler selbst im Kleid der Großmutter mit Maske am Montafoner Tisch in der Stube mit Herrgottswinkel. Ein letztes bewusstes Abschiednehmen vor dem Verkauf des mehrere Jahrhunderte alten Elternhauses.
An den schwarz gestrichenen Wänden des kleinen, verdunkelten Ausstellungsraumes die Schwestern seiner Mutter, seine Tanten, Pose, Kleid und Maske sorgfältig ausgewählt und mit dem Künstler selbst als Darsteller an den authentischen Orten seines Heimatortes fotografisch inszeniert. Auf kleinformatige Handspiegel gedruckt und paarweise wie Schmetterlingsflügel eng aneinanderstoßend präsentiert. Das doppelte, leicht versetzte Hängen der Bilder erinnert auch an stereoskopische Fotoaufnahmen des 19. Jahrhunderts, wo durch zwei im Augenabstand auseinanderliegende Objektive gleichzeitig zwei Fotos entstanden, die beim Betrachten dann einen dreidimensionalen Eindruck erzeugten.
Je nach Lichteinfall und Standort verändert sich die Wahrnehmung, wird die Abbildung zum Spiegel, der Aufdruck als Negativ oder Positiv gelesen. Das verweist auch auf die Anfänge der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts, als die kleinformatigen Porträtfotos der Daguerreotypie auf spiegelnden, dünn mit Silber bedampften Kupferplatten nur durch Kippen und unter bestimmten Blickwinkeln ihren Inhalt preisgaben. Da Fotografien damals noch teuer und aufwändig waren, wurden geliebte Familienmitglieder oft erst nach deren Tod als Post-mortem-Fotografie zur anteilnehmenden Erinnerung abgelichtet.
Ein Spiegelbild der Familiengeschichte des Eingebunden-Seins in ein generationenübergreifendes Vermächtnis der Gene, deren Erfolge, gesellschaftliche Stellung und Chancen mit allen Vor- und Nachteilen, Krankheit, frühem Tod oder langem angenehmen Leben in Sicherheit und Wohlstand oder in Armut, Schulden und Schuld. Jeder und jede halte sich den Spiegel vor und erkenne sich selbst und seine Verstrickungen, Fremdsein oder Geborgenheit im Schoß der Familie – oder seine Emanzipation und Befreiung von diesen Fesseln.
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Auf einem sehr persönlichen Erlebnis basiert die ebenfalls neue Reihe „Innerer Film“. Darin verarbeitet Marko Zink den Abschied vom erinnerungsbehafteten Elternhaus, als dem Ort seiner Herkunft, das 2020 verkauft wurde. Seine Großmutter, die „Seele des Hauses“, die Mutter und die fünf Tanten, die alle in dem Haus wohnten, haben den Künstler sehr geprägt und ihnen allen widmet er diese abgeschlossene Reihe. Zwölf Motive auf und in Handspiegeln gedruckt und wiederum gespiegelt, sodass sich ein Paar ergibt, das in der Anordnung an Schmetterlingsflügel denken lässt, verweisen auf die Metamorphose, sind aber auch eine Hommage. Marko Zink: „Wir alle sind nur Reflexionen, auch Abbild des Gegenübers, in dem wir uns nicht nur tagtäglich spiegeln, sondern wohl ein ganzes Leben lang.“ Den Abschluss der Reihe bildet die Fotografie „Morgenstern der finstern Nacht“, die unmittelbar vor dem Verlassen des Elternhauses, als letztes Bild, entstanden ist. Darauf ist der Künstler zu sehen, der an dem Montafonertisch sitzt, der jahrelang das Zentrum des Hauses und der Treffpunkt für die Familie war.
AUSSTELLUNGSANSICHTEN| Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis Bregenz, Österreich | Suite Franziska Hausmaninger, Österreich
AUSSTELLUNGSFOTOS | Rudolf Sagmeister | Matthias Bildstein